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Boban & Marko Markovic Orchestra - Hamburg Fabrik - 20.03.2014
Der ganz große Hype um die als Balkan Brass bekannte serbische Blasmusik mag vorbei sein, doch ein Name wie Boban Markovic sorgt weiterhin für gut besuchte Konzerte. Seit einigen Jahren ist der Star-Trompeter mit seinem Sohn Marko unterwegs, am 20. April verschlug es die beiden samt Orchester in Deutschlands ältestes Kulturzentrum: die Hamburger Fabrik.
Es gibt weder eine Vorband noch eine große Show. Kurz nach 21 Uhr betritt ein Dutzend Männer in Alltagskleidung die Bühne und schnallt sich die Instrumente um: Gitarre, Akkordeon, Percussion und natürlich die Bläser. Dann kommen Vater und Sohn Markovic dazu, ebenfalls ohne großes Trara, und es wird losgelegt.
Die Rollenverteilung ist klar: Vater Boban, der anfangs noch angespannt wirkt, ist hier die unangefochtene Autorität, hält sich im Hintergrund und gibt den Musikern Anweisungen. Die Band bleibt die meiste Zeit außerhalb des Scheinwerferlichts. Auch Boban kommt selten an den Bühnenrand, den er ganz seinem Sohn überlässt. Marko ist der Star des Abends, tanzt, singt und trompetet sich die Seele aus dem Leib. Der 26jährige musste jahrelang üben, bevor er seinen Vater auf dessen Tourneen begleiten durfte. Inzwischen ist er ein Vollblutmusiker mit einer unglaublichen Kondition und beeindruckendem Talent.
Der Anfang gerät schleppend, die Band und das Publikum müssen sich erst aufwärmen. Der zweite Song, „Hava Nagila“, ist jedoch genau das, was die Leute an diesem Abend hören wollen – und was das Orchester am besten kann: ein Uptempo-Volkslied, das den Musikern kaum Zeit zum Luftholen lässt. Der Saal gerät in Wallung, wie soll man dabei auch still stehen? Noch wilder wird es bei den Songs, die durch die Film-Soundtracks von Goran Bregovic und später durch die Balkan-Partys von Shantel einen gewissen Bekanntheitsgrad erlangt haben. „Bubamara“, „Mesecina“ und „Kalasnjikov“ werden nicht nur von den Serben im Saal gefeiert wie Nationalhymnen. Wer den Text nicht mitsingen kann, weil er ihn nicht versteht, trällert eben zu den Instrumenten mit.
Allerdings handelt es sich bei diesen Songs um die großen Ausnahmen, die meiste Zeit bleibt die Stimmung verhalten. Das mag am Altersdurchschnitt des Publikums liegen, der Bobans Alter (49) ziemlich nahe kommt. Vielleicht liegt es auch an der Größe der Halle: Die Fabrik ist eine große Location und an diesem Abend nur zur Hälfte gefüllt. Wenn einer tanzt, hat er dazu reichlich Platz und reißt die anderen nicht mit. Eher erntet er genervte Blicke oder wird, wenn er sich zu laut unterhält, gebeten, bitte weiter hinten zu quatschen. Wirklich wahr. Oder liegt es am Orchester selbst, dass der Saal nicht kocht? Marko Markovic hüpft umher wie von der Tarantel gestochen und wackelt wild mit den Hüften, doch von den anderen rührt sich unter der strengen Aufsicht von Silberrücken Boban kaum einer vom Fleck.
Spaß macht diese Musik trotzdem, das geht gar nicht anders. Zu den ganz großen Highlights gehören Markos Soli. Was der junge Mann aus seiner Trompete herausholt, sorgt für Staunen und Jubeln. Noch beeindruckender ist allerdings, was seine Stimme hergibt, die er wie ein weiteres Instrument einsetzt. Da wird einem vom bloßen Zuhören schwindelig, und Boban, der daneben steht, ist sichtlich gerührt. Ja, der Vater taut langsam auf, übernimmt auch mal den Gesang oder die erste Trompete. Dennoch wirkt das Ganze wie seine Abschiedstournee, als würde beim nächsten Mal nur noch Marko vorne stehen. Der ist offensichtlich bereit, die Nachfolge anzutreten.
Gegen Ende dürfen noch weitere Bandmitglieder vorne zeigen, was sie draufhaben. Das führt zu zwei Erkenntnissen: Jeder dieser Männer, vom Saxofonisten bis zum Bongo-Spieler, beherrscht sein Instrument bis zur Perfektion. Und jeder von ihnen ist übergewichtig und trägt ein hautenges Shirt. Selbst Marko. Zufall? Mode? Verwandtschaft? Es sieht jedenfalls lustig aus und entschädigt damit ein Stück weit dafür, dass der Abend nicht ganz so wild geraten ist wie erwartet.
[Fotos: Franz Fuhrmann, Hamburg]